Dr. Dieter Kraus
Fallbesprechung Grundrechte SS 1997
Fall 4 (Hessenlöwe):
Künstler K stellt von ihm geschaffene Gegenstände öffentlich
aus. Darunter befindet sich eine 10 x 8 cm große Plakette, die im
blauen Schild mit schwarzer Umrandung einen 9x rot-weiß gestreiften
steigenden Löwen zeigt. Der Löwe trägt einen weißen
Polizeihelm auf dem Kopf und hat in der erhobenen rechten Pranke einen
schwarzen Schlagstock, der an seinem äußeren Ende teilweise
rot gefärbt ist, so daß er blutverschmiert wirkt. Ferner sind
drei Bluttropfen erkennbar, die vom Ende des Schlagstockes herunterfallen.
Über dem Schild steht in großen schwarzen Buchstaben auf weißem
Feld æHessenÆ. Von ihrer äußeren Gestaltung her entspricht die
Plakette damit im wesentlichen dem hessischen Landeswappen. Hauptunterschied
ist, daß dem Schild das Gewinde aus goldenem Laubwerk mit aus blauen
Perlen gebildeten Früchten fehlt.
K wird daraufhin wegen Beschimpfung des Landes Hessen in Tateinheit
mit Verunglimpfung seines Wappens gem. § 90a I Nr. 1 und Nr. 2 StGB
vom Amtsgericht zu der Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu je 50,- DM
verurteilt. Alle Rechtsmittel bleiben erfolglos.
Liegt eine Verletzung der Kunstfreiheit des K vor?
Das hessische Landeswappen:
(courtesy: http://www.hessen.de/Land/land20.htm).
Aus dem Strafgesetzbuch:
§ 90a Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole
(1) Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten
von Schriften (§ 11 Abs. 3)
1. die Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder oder
ihre verfassungsmäßige Ordnung beschimpft oder böswillig
verächtlich macht oder
2. die Farben, die Flagge, das Wappen oder die Hymne der Bundesrepublik
Deutschland oder eines ihrer Länder verunglimpft,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer eine öffentlich gezeigte Flagge
der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder oder ein von
einer Behörde öffentlich angebrachtes Hoheitszeichen der Bundesrepublik
Deutschland oder eines ihrer Länder entfernt, zerstört, beschädigt,
unbrauchbar oder unkenntlich macht oder beschimpfenden Unfug daran verübt.
Der Versuch ist strafbar.
(3) Die Strafe ist Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe,
wenn der Täter sich durch die Tat absichtlich für Bestrebungen
gegen den Bestand der Bundesrepublik Deutschland oder gegen Verfassungsgrundsätze
einsetzt.
Zur Vertiefung & zum Selbststudium:
J. Würkner, Das Bundesverfassungsgericht und die Freiheit der Kunst,
erstellt 08.06.1997/Kr.